
Gabi Rets
Assemblage aus verleimtem Zeitungspapier, Gesso, Acryl, 230 x 190 cm, 2022
„Die Tischgesellschaft besteht aus Zeitungspapier. Als alltäglich verfügbares Altpapier bieten Zeitungen sich zur Wiederbenutzung an. Das an sich ist schon ein guter Grund, sie zu verwenden. Gleichzeitig sehe ich Zeitungen als Stellvertreter einer Welt, die durch verbale und visuelle Informationen bestimmt ist. Darin formen täglich neue Berichte von globalen und lokalen Katastrophen, von Kriegen, politischen Aktivitäten, menschlichen Dramen und Leistungen, von TV-Programmen und Kreuzworträtseln eine Perspektive, die sich mit individuellen Wahrnehmungen untrennbar verwebt.
In den zerrissenen und neu zusammengeleimten Zeitungen bleiben von den gestrigen Informationen nur noch zufällige Wortfetzen und unzusammenhängende Farbfelder übrig. Damit sind sie ein ideales Material für die Darstellung der Welt, so wie ich sie wahrnehme: Fragmentiert, zerstückelt und mit immer wieder neuen Informationen zu einem instabilen Netzwerk geformt. Eine Welt, die gleichzeitig auch Träger und Hintergrund ist, auf dem ich mich und andere Menschen sich mit mir, bewegen und trotz unterschiedlicher Erfahrungen probieren, miteinander in Kontakt zu kommen.
Die Gesellschaft am Tisch als Momentaufnahme: Wer kommt miteinander in Gespräch? Wer wendet sich ab? Wer geht als Erster weg? Wer bleibt zusammen? Wie geht es weiter?
Zur Arbeit mit den Zeitungen benutze ich meine Hände. Erst reiße ich lange Streifen und streiche sie mit Tapetenkleister ein. Dann forme ich die Zeitungsstreifen auf einem flachen Träger zu einer linearen Zeichnung. Dafür benutze ich beide Hände.
Diese Handlung sehe ich als wertvolles Gegengewicht zu der verbal-visuellen Infowelt. Ich nehme mit meinen Händen wahr, was ich tue. Ich erfahre die Form, die Verbindung. Ich fühle die Unebenheiten und die Bewegung der Linie, das Fragile des nassen Papiers. Ich begreife im wahrsten Sinne des Wortes den Zusammenhang, während ich die Form realisiere. So entsteht schließlich eine Zeichnung, die sich selbst trägt und ihren eigenen Schatten hat.“
